Das finnische Unternehmen Capps Oy hat ein automatisches Lagerungssystem für Apotheken entwickelt, dem ein komplett neuer Ansatz zugrunde liegt. Die Maschine benötigt nur einen Bruchteil des Platzes eines herkömmlichen Lagers, kann jedoch deutlich mehr Produkte fassen.
Eine Apotheke ist ein Gesundheitsdienstleister
„Das Apothekengeschäft hat sich in der letzten Dekade dramatisch geändert“, sagt Hans Fock, Apotheker bei Sipoo Pharmacy nahe Helsinki in Finnland. „Die Einnahmen aus dem Verkauf von Medikamenten und die Gewinnspannen sind gleichermaßen gefallen, was Apotheken dazu zwang, die Effizienz ihrer Abläufe zu erhöhen und die Kosten zu senken. Gleichzeitig behalten wir aber unsere traditionelle Rolle, unsere Kunden zu beraten und aufzuklären.“ Verschreibungspflichtige Arzneimittel machen den Löwenanteil des Umsatzes einer Apotheke aus. Es gibt Tausende von Marken und jeden Tag werden Hunderte von Rezepten ausgestellt. Das Steuern und Automatisieren der medizinischen Logistik ist für die Effizienz jeder Apotheke von entscheidender Bedeutung. Ebenfalls wichtig ist die fehlerlose Auslieferung der Medikamente.
Automatisierte Lagerung schreitet voran
Ungefähr 100 der 700 bis 800 Apotheken in Finnland verwenden bereits Apothekenroboter. Die herkömmliche Methode des Lagerns der Medikamente in unzähligen Schubladen ist äußerst arbeitsintensiv. Angelieferte Produkte müssen am richtigen Ort abgelegt, die Herstellungsdaten verwaltet und eine regelmäßige Bestandsaufnahme durchgeführt werden. Eine sorgfältige Entnahme der Produkte für den Kunden ist wichtig, um sicherzustellen, dass keine Fehler gemacht werden. Darüber hinaus beansprucht das übliche Schubladensystem deutlich mehr Lagerplatz.
Bei Sipoo Pharmacy ist der Lagerroboter nun schon seit zehn Jahren im Einsatz. In einem herkömmlichen automatisierten Lager bewegt sich ein kleiner Industrieroboter auf Schienen in einem großen Schrank. Er schiebt die Produkte in diagonal ansteigende Schächte auf beiden Seiten der Schienen. Jedes Produkt hat seinen eigenen Ablageort. Die Schächte sind fast immer nur teilweise gefüllt, und zuerst eingelagerte Packungen bleiben immer solange vorrätig, bis die Schächte vollständig geleert oder umsortiert werden.
Capps bot Sipoo ein alternatives Robotiksystem an, das basierend auf einer Reihe neuer Prinzipien entwickelt wurde.
„Unser alter Roboter nahm eine Fläche von 2 x 6 m² vom Boden bis zur Decke ein“, erklärt Hans Fock. „Bezogen auf den benötigten Platz war die alte Lösung nicht viel besser als Schubladen, auch wenn sie unseren Arbeitsaufwand verringerte. Wir hatten gelegentlich Probleme, aber wir haben gelernt, damit zu leben. Capps bot uns eine Maschine mit einer Stellfläche von nur 2 x 2 m² und einer um 40 Prozent höheren Lagerkapazität an. Wir waren sofort interessiert.“
Eine Kombination aus Maschinenvision und Innovation
„Unser Ziel war ein sehr kompaktes, automatisiertes Lager mit hoher Kapazität, das in jede Apotheke passt“, sagt Ilpo Hakkarainen, Gründungspartner von Capps Oy. „Ein automatisiertes System, dessen Größe und Preis für jeden angemessen ist. Ich denken, wir haben die Aufgabe gut gemeistert.“
Der Cappsel-Roboter hat eine Vielzahl runder, sich drehender Regale mit einem Durchmesser von ungefähr zwei Metern, die übereinander angeordnet sind. Die Gesamtfläche der Regale beträgt beinahe 100 m². Ein Roboterarm nimmt die zugeführten Packungen, misst sie ab und platziert sie am kleinstmöglichen Platz auf den Regalen. Der Arm, sein rotierender Greifer und die sich drehenden Regale bilden eine Einheit, in der Packungen parallel platziert werden, mit einem durchschnittlichen Abstand von 2,5 Millimeter zueinander. Der ungenutzte Platz ist minimal.
„Wird eine Packung angeliefert, wird der Barcode gelesen. Der Roboter erinnert sich dann an den Ablageort jeder Packung in den Regalen“, fährt Hakkarainen fort. „Wenn ein Apotheker eine Bestellung aufgibt, entnimmt der Roboter die älteste Packung des angeforderten Typs und legt sie in den Lieferkanal. Die Produkte haben keine festen Plätze im Lagersystem, es kann also der gesamte Regalbereich genutzt werden. Der Abstand zwischen den Regalen variiert, um auch größeren Packungen Platz zu bieten.“
Eine große Anzahl intelligenter Sensoren
Der Cappsel-Roboter verfügt über eine umfangreiche Mechanik, sechs servoangetriebene Achsen, eine mit Gleichstrom angetriebene Achse und einen Kompressor. Die Sensoren des Geräts sind so angeordnet, dass der Roboter so zuverlässig wie möglich arbeitet. Es gibt ungefähr 30 Sensoren, wobei die meisten von SICK stammen.
„SICK wurde von Anfang an in die Entwicklungsarbeit einbezogen“, sagt Teemu Oittinen, Technical Director bei Capps Oy. „Wir haben ihnen immer Konzeptzeichnungen der verschiedenen Einheiten geschickt und mit ihnen besprochen, wie sie sich am besten implementieren lassen. Wir bekamen viele gute Ideen von ihnen und mussten die Sensortypen nicht selbst festlegen. Alles basiert auf gegenseitigem Vertrauen. Und weil SICK in Bezug auf Sensoren über die besten Kenntnisse verfügt, konnten wir eine Menge Zeit sparen.“
“SICK bietet viele intelligente I/O-Link-Sensoren an, die sich als sehr geeignet erwiesen. Neben dem Messen der vorgegebenen Werte, erfassen die Sensoren auch eine Vielzahl zusätzlicher Informationen, die zum Analysieren der Maschinenfunktionen in der Produktentwicklung genutzt werden können. Die Sensoren können auch extern programmiert werden. Wenn wir also Modifikationen vornehmen müssen, können wir die Tastweite oder andere Parameter eines Sensors problemlos mithilfe von Software ändern.“
Bei den verwendeten Hauptsensoren hebt Teemu Oittinen besonders den OLM-Barcode-Linear-Messsensor und das MLG-Lichtgitter für die Messungen hervor. Barcodes sind alle paar Zentimeter (am Rand jedes sich drehenden Regals) angebracht und werden mit dem OLM-Sensor gelesen. Die Regale werden dann an die exakte Position gedreht, um Packungen zu entnehmen oder abzulegen. Mit dem MLG-Lichtgitter werden die Maße der Packungen bei der Übergabe gemessen.
Das Marktpotenzial ist riesig
Capps ist ein kleines aber international aufgestelltes Unternehmen. Der erste Cappsel-Roboter wurde im November 2016 an einen Kunden ausgeliefert. Bis Ende 2017 waren in Finnland fünf dieser Roboter im Einsatz. Die Wachstumsziele sind ambitioniert. „Verschreibungspflichtige Medikamente werden in Finnland üblicherweise in Chargen für drei Monate bzw. von 100 Einheiten verkauft“, sagt Hans Fock. „In Mitteleuropa werden Chargen für einen Monat bzw. von 30 Einheiten bevorzugt, sodass die Kunden jeden Monat die Apotheke aufsuchen müssen – dreimal so oft wie in Finnland. Damit ist der Bedarf nach Maschinen wie dem Cappsel-Roboter erheblich größer. Außerdem erhöht Cappsel die Sicherheit in einer Apotheke. Ein Einbrecher würde nur schwer ein bestimmtes Medikament finden, da sie zufällig abgelegt sind. Der wichtigste Vorteil ist jedoch, dass mit Cappsel Platz und Arbeit eingespart werden. Die Zeit, die mit Cappsel eingespart wird, haben wir jetzt für das Gespräch mit dem Kunden übrig.“