Emissionsmessgerät MARSIC sorgt für mehr Transparenz auf den Weltmeeren

08.06.2020

Auf der Erfolgswelle der Digitalisierung: Ein neues Messgerät von SICK sorgt bei Schiffen für zuverlässige Abgasreinigung. Doch nicht nur das: Die Daten, die es liefert, eröffnen zukunftsweisende neue Anwendungsmöglichkeiten. Auch dank eines digitalen Zwillings in der Cloud.

Am 1. Januar 2020 trat eine wichtige Neuerung in Kraft: Die International Maritime Organization (IMO), die sich als Organisation der UNO der Sicherheit und Umweltverträglichkeit von Schiffen widmet, senkte für internationale Gewässer den Schwefelgrenzwert im Kraftstoff. Da die meisten Schiffe mit Schweröl betrieben werden und dadurch große Mengen an Schwefeldioxid-Emissionen freisetzen, bedeutete diese Änderung für viele Reedereien dringenden Handlungsbedarf: Weltweit rund 60.000 Schiffe mussten entweder auf deutlich teureren schwefelarmen Kraftstoff umsteigen oder eine Abgasreinigungsanlage nachrüsten. Dieser so genannte Scrubber wäscht die Schwefeloxide aus den Abgasen und wird in Verbindung mit einer Emissionsmessanlage installiert.

The data that emission measuring device MARSIC provides opens up pioneering new application possibilities.
The data that emission measuring device MARSIC provides opens up pioneering new application possibilities.

 

Hier war SICK zur richtigen Zeit mit einer Lösung am Markt: „Unser Messgerät MARSIC haben wir speziell für die maritime Emissionsmessung entwickelt“, erklärt Hinrich Brumm, Strategic Industry Manager Combustion Engines and Maritime und seit fünf Jahren bei der SICK AG. „Es weist die Einhaltung der IMO-Verordnung und damit die Effizienz dieser Abgasreinigungssysteme nach und ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Scrubber.“ Insgesamt kann das ca. 130 mal 40 cm große, rund 120 kg schwere Gerät bis zu neun Gaskomponenten – SO2, CO2, CO, NO, NO2, NH3, CH4, H2O und O2 – messen und ist damit auch für weitere Prozessmessungen an Bord ausgelegt.

 

Die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt

Die Entwicklung von MARSIC hatte bereits 2009 begonnen: Ein SICK-Produkt, das an Land bei Kraftwerken und Müllverbrennungsanlagen genutzt wurde, wurde zunächst für den Gebrauch an Bord adaptiert, wo ganz andere Bedingungen herrschen – etwa starke Vibrationen oder Spannungsschwankungen. Von 2013 bis 2015 entwickelten die Spezialisten für maritime Anwendungen an den SICK-Standorten Meersburg (heute Überlingen) am Bodensee und Hamburg dann MARSIC200 und MARSIC300. „Dazu haben wir auch mit Kunden weltweit gesprochen und ihre Bedürfnisse berücksichtigt“, sagt Brumm. Er war 15 Jahre bei DNV GL, der führenden Klassifikationsgesellschaft für die maritime Industrie, und dort unter anderem für die Zulassung maritimer Emissionsmesstechnologie verantwortlich, kennt sich damit also hervorragend aus. Zudem ist er akkreditiertes Mitglied der Delegation der Deutschen und Europäischen Werft- und Zulieferindustrie bei der IMO. Diese optimale Vernetzung in der maritimen Branche sowie den Schifffahrtsverbänden und Gremien auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene war mit ausschlaggebend dafür, dass das Produkt genau zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt kam.

 

Hinrich Brumm (links), Strategic Industry Manager Combustion Engines and Maritime, im Gespräch mit seinem Kollegen Alexander Wiestler, Head of Global Product Management GBC Global Integration Space
Hinrich Brumm (links), Strategic Industry Manager Combustion Engines and Maritime, im Gespräch mit seinem Kollegen Alexander Wiestler, Head of Global Product Management Industrial Integration Space
Hinrich Brumm (links), Strategic Industry Manager Combustion Engines and Maritime, im Gespräch mit seinem Kollegen Alexander Wiestler, Head of Global Product Management GBC Global Integration Space
Hinrich Brumm (links), Strategic Industry Manager Combustion Engines and Maritime, im Gespräch mit seinem Kollegen Alexander Wiestler, Head of Global Product Management Industrial Integration Space

 

Auch bei schwerer See – der Digital Twin in der Cloud

Inzwischen sind die Emissionsmessgeräte von den sieben größten Klassifikationsgesellschaften der Welt zugelassen und decken damit 90 Prozent der Weltflotte ab. „Unsere Kunden kommen aus aller Welt. Vor allem in China und Korea, den klassischen Schiffbaunationen, war und ist die Nachfrage enorm. Wir sind Marktführer im Bereich Schiffsemissionsmessgeräte – was umso beachtlicher ist, als dieser Bereich für uns Neuland war“, sagt Brumm. Der MARSIC bietet über seine eigentliche Funktion hinaus ein riesiges Potenzial: Die Messgeräte liefern stetig Daten und damit die Basis für neue Anwendungen. Möglich macht dies die Tatsache, dass inzwischen auch auf hoher See eine Verbindung mit dem Internet möglich ist, sodass die Daten über Cloudlösungen kontinuierlich verfügbar sind und auf sie permanent zugegriffen werden kann. Hier setzt SICK an und arbeitet aktuell an der Entwicklung von verschiedenen neuen maritimen Anwendungen.

 

Eine solche ist ein digitaler Zwilling des physischen MARSIC-Gerätes in der Cloud – im Industrie-4.0- Jargon ein „virtualisiertes Asset“. Auf dem cloudbasierten SICK AssetHub, einem Webservice für SICK-Kunden, können beliebige Sensoren abgebildet und die Echtzeitdaten des Gerätes dargestellt werden. Damit ist immer aktuell sichtbar, was das Gerät auf See misst, sodass der Schiffsbetreiber dies überwachen kann. Gibt es ein Problem, etwa einen verstopften Filter, erhält nicht nur die Besatzung, sondern auch die Reederei eine Meldung, und entsprechende Maßnahmen können eingeleitet werden.

 

Die Daten schaffen Transparenz

Weiterhin besteht die Möglichkeit, die Emissionsdaten von MARSIC mit anderen Daten zu verknüpfen. So können digitale Dienste diese Werte zukünftig mit den Positionsdaten des Schiffs in Zusammenhang bringen und warnen, wenn das Schiff auf eine Kontrollemissionszone zufährt und die Besatzung rechtzeitig handeln muss. Denn würde das Schiff mit abgeschalteter Abgasreinigungsanlage in eine solche Zone fahren, drohen empfindliche Strafen, mitunter im Millionenbereich, was für eine Reederei unter Umständen das Aus bedeuten kann. „Die Kombination verschiedener Datenquellen ist immer eine gute Basis, um vollkommen neuartige Transparenz zu erzeugen. In diesem Fall bietet sie dem Schiffsbetreiber eine verbesserte Produktivität und Betriebssicherheit“, sagt Alexander Wiestler, Head of Global Product Management vom Global Integration Space bei SICK.

 

„Die Kombination verschiedener Datenquellen ist immer eine gute Basis, um vollkommen neuartige Transparenz zu erzeugen“, sagt Alexander Wiestler, Head of Global Product Management des Global Integration Space bei SICK.
Alexander Wiestler, Head of Global Product Management GBC Global Integration Space
„Die Kombination verschiedener Datenquellen ist immer eine gute Basis, um vollkommen neuartige Transparenz zu erzeugen“, sagt Alexander Wiestler, Head of Global Product Management des Global Integration Space bei SICK.
Alexander Wiestler, Head of Global Product Management GBC Global Integration Space

 

Überhaupt legt SICK den Fokus verstärkt darauf, den Kunden ganzheitliche, individualisierte Lösungen auf der Basis von Sensordaten anzubieten – nicht nur in der Schifffahrt, sondern auch in der Logistik-, Prozess- oder Fabrikautomation. Grundlegend ist dabei der SICK Integration Space™. Damit bietet SICK nun auch eigene cloudbasierte Softwarelösungen an. Mit den digitalen Informationen erhalten Anwender wertvolles Wissen für die kontinuierliche Optimierung von Geschäftsprozessen wie Supply Chain, Qualitätsmanagement oder Fertigungsabläufen. „So wird SICK zum Partner für die digitale Transformation unserer Kunden, denn wir entwickeln – basierend auf den Sensorapplikationen – maßgeschneiderte Lösungen und schaffen mehr Transparenz und Flexibilität auf Geschäftsprozessebene“, erklärt Wiestler.

 

SICK bietet eigene cloudbasierte Software-Lösungen

Gerade für die bisher wenig transparente Datenbasis im Bereich der Schifffahrt ist dieser cloudbasierte Ansatz auch die richtige Lösung. SICK arbeitet derzeit intensiv daran, neuartige maßgeschneiderte digitale Dienste für die maritime Industrie zu entwickeln – und verknüpft hier seine Kompetenzen in der maritimen Branche mit Know-how hinsichtlich Industrie 4.0 und der Digitalisierung von automatisierten Prozessen.

 

Emission control areas
Emission control areas

 

Im sicheren Hafen der Digitalisierung

So könnte sich ein digitaler Dienst auf Basis der mit MARSIC gemessenen Schiffsemissionen zum Beispiel auch bei der Zusammenarbeit mit Häfen zukünftig sehr nützlich machen. Denn die unübersichtlichen Auflagen hinsichtlich Emissionen schwanken von Hafen zu Hafen enorm. Manche Häfen haben inzwischen sogar Incentive Modelle mit reduzierten Hafengebühren, wenn die Schiffe weniger Schadstoffe ausstoßen. Das bislang notwendige manuelle Ausfüllen zahlreicher Formulare bedeutet für die Besatzung einen enormen Aufwand mit hohem Fehlerpotenzial. Ein digitaler Dienst, der die Emissionswerte per Cloud an die Hafenbehörden übermittelt, schafft hier verbesserte Abläufe und Mehrwert in Form von Arbeitserleichterung und der Sicherheit, alle Regelungen einzuhalten.

 

Doch damit nicht genug: Schon heute arbeitet SICK an der Entwicklung neuer digitaler Services rund um Dekarbonisierung bzw. „Green Shipping“: „Die maritime Industrie ist stark im Umbruch und angesichts der Klimawandel-Debatte gefordert, von Schweröl abzurücken und auf alternative Antriebskonzepte zu setzen“, erklärt Hinrich Brumm. „Auch hier hat SICK mit rund 40.000 unterschiedlichen Produkten die Kompetenz, passende Lösungen zu entwickeln und rechtzeitig anzubieten – vom Einzelprodukt bis hin zu komplexen Gesamtlösungen inklusive cloudbasierter Services.“

 

Vor allem sind diese digitalen Anwendungen aber eines: eine zukunftsweisende Neuerung für die Schifffahrt. War es bisher unmöglich, Schiffsemissionen zuverlässig zu überwachen, geht das dank MARSIC und cloudbasierten Diensten nun. „Mit unseren Messgeräten werden die Emissionen nachvollziehbar“, erklärt Brumm. „Das ist in einer Zeit, in der Transparenz, Effizienz, Umweltschutz und Nachhaltigkeit immer wichtiger werden, ein großer Schritt.“ So eröffnet ein Sensor als Lieferant wertvoller Daten auch in diesem Fall ungeheure Möglichkeiten – und macht am Ende die Luft über den Ozeanen sauberer.