Künstliche Intelligenz sorgt für Verkehrssicherheit am San-Bernardino-Straßentunnel

06.03.2023

Kann Künstliche Intelligenz Straßentunnels sicherer und effizienter machen? Die Vehicle Hotspot Detection Systeme (VHD) von SICK an der Nord- und Südeinfahrt des San-Bernardino-Tunnels beantworten die Frage mit einem klaren „Ja!”. Per Deep Learning wurde ihnen antrainiert, gefährlich heisslaufende Radnaben an Fahrzeugen von heißen, aber ungefährlichen Auspufftöpfen zu unterscheiden. Das Ergebnis: höhere Sicherheit bei weniger Fehlalarmen und optimalem Verkehrsfluss.

„VHD-Systeme von SICK werden zur Erkennung von Lkws und Bussen mit überhitzten, im Sinne des Wortes „brandgefährlichen“ Oberflächen eingesetzt, bevor diese in einen Tunnel, auf eine Fähre, in ein Verladeterminal oder in eine Verkehrskontrollstelle fahren“, erklärt Lukas Wallimann, Produktmanager VHD bei SICK in Buochs in der Schweiz. Hierzu kombiniert das System die Bilder von Infrarotkameras mit den Messdaten von 2D-LiDAR-Sensoren.

Das VHD-System von SICK erkennt überhitzte Oberflächen.

Auf diese Weise misst es Temperaturen an Fahrzeugen und ermittelt dessen Abmessungen, um daraus ein 3D-Modell zu erstellen – an dem einzelne Fahrzeugbereiche wie Räder, Motor, Auspuff oder Laderaum automatisch identifiziert werden können. „Installiert wurden solche Systeme in den letzten zehn Jahren in ganz Europa, so auch am Mont-Blanc-Tunnel und am Gotthard-Tunnel“, sagt Christoph Gilgen, Customer Project Manager bei SICK. Dass sich VHD-Systeme in der Praxis als zuverlässige Sicherheitsmaßnahme gegen Fahrzeugbrände im Tunnel erweisen, bestätigt Italo Broggini vom Schweizer Bundesamt für Straßen (ASTRA), Filiale Bellinzona: „Das Thermoportal am San Bernardino hilft uns, überhitzte Fahrzeuge aus dem Verkehr zu ziehen und so einen Beitrag zur Tunnelsicherheit zu leisten.“

Das Thermoportal am San Bernardino hilft dabei überhitzte Fahrzeuge aus dem Verkehr zu ziehen und so einen Beitrag zur Tunnelsicherheit zu leisten.
Das Thermoportal am San Bernardino hilft dabei überhitzte Fahrzeuge aus dem Verkehr zu ziehen und so einen Beitrag zur Tunnelsicherheit zu leisten.
Das Thermoportal am San Bernardino hilft dabei überhitzte Fahrzeuge aus dem Verkehr zu ziehen und so einen Beitrag zur Tunnelsicherheit zu leisten.
Das Thermoportal am San Bernardino hilft dabei überhitzte Fahrzeuge aus dem Verkehr zu ziehen und so einen Beitrag zur Tunnelsicherheit zu leisten.

„Luft nach oben“ bei der Alarmqualität

Effektiv sind sie also, die VHD-Systeme. Um sie aber noch effizienter zu machen, galt es, die Qualität und Treffsicherheit der Alarme weiter zu verbessern. Eine für das Projekt San Bernardino unabdingbare Voraussetzung, denn die Feuerwehr des Tunnels ist nur am Südportal stationiert. Meldet das Thermoportal an der etwa sieben Kilometer entfernten, nördlichen Tunneleinfahrt einen Alarm, sind die Einsatzkräfte einige Zeit unterwegs, um zu dem gefährlichen Fahrzeug zu gelangen. Fehlalarme, z.B. ausgelöst durch einen heißen Auspufftopf, führen also zu unnötigen Einsätzen der Feuerwehr. Aber über wieviel „Luft nach oben“ für eine höhere Alarmqualität verfügen die VHD-Systeme – und wie kann dieses Potenzial für mehr Effizienz nutzbar gemacht werden?

Künstliche Intelligenz verbessert Alarmqualität der VHD

Es geht damit um die Systemgenauigkeit. Wie lässt sich diese verbessern? Alleine mit weiteren Sensoren? Oder braucht es neue Algorithmen, mit denen mögliche Brandquellen an Fahrzeugen sicherer identifiziert und unterschieden werden können?

„Die Lösung liefert uns die Künstliche Intelligenz, genauer gesagt das Deep Learning“, sagt Roman Schindler, Softwareingenieur des CNN bei SICK. Das „CNN“ hat aber nichts mit dem US-amerikanischen Nachrichtensender zu tun, sondern steht für „Convolutional Neural Network“ – einem künstlichen neuronalen Netz, das von biologischen Prozessen inspiriert hauptsächlich zur maschinellen Verarbeitung von Bilddaten eingesetzt wird. Ein besonderer Vorteil des Verfahrens ist seine geringe Fehlerquote – was sich beim Einsatz der VHD-Systeme mit CNN-Algorithmus bestätigen sollte.

Tausende von Wärmebildern wurden analysiert um die Fehlerquote möglichst gering zu halten.
Im so genannten "Trainingslager" des VHD-Systems, wurden über vier Monate hinweg tausende Wärmebilder analysiert und dadurch der CNN-Algorithmus trainiert.
Tausende von Wärmebildern wurden analysiert um die Fehlerquote möglichst gering zu halten.
Im so genannten "Trainingslager" des VHD-Systems, wurden über vier Monate hinweg tausende Wärmebilder analysiert und dadurch der CNN-Algorithmus trainiert.

Lernen durch Training, Lernen aus Bildern Vier Monate lang war das VHD-System im „Trainingslager“. „In dieser Zeit wurden tausende von Wärmebildern bereits bestehender Anlagen gesammelt, analysiert, manuell klassifiziert und anschließend der CNN-Algorithmus trainiert“, beschreibt Roman Schindler den Entwicklungsprozess. Darüber hinaus ist SICK mit dem Kommandanten der Schadenwehr San Bernardino alle Alarme der letzten Monate durchgegangen, um aus allen Alarmmeldungen die tatsächlichen Fehlalarme herauszufiltern.

Diese Maßnahme kam dem CNN-Algorithmus ebenfalls zugute. Das neue Verfahren hat die Unterscheidbarkeit einzelner Fahrzeugbereiche wie Räder, Motor oder Auspuff deutlich verbessert. „Am San-Bernardino-Tunnel, an dem der neue Algorithmus erstmals im Echtbetrieb getestet wird, hat sich eine niedrige Fehlalarmrate eingestellt“, sagt Christoph Gilgen. „Das ist eine mehr als signifikante Verbesserung im Vergleich zum konventionellen Algorithmus, der in den dortigen Thermoportalen als Backup im Hintergrund mitläuft.“

Überhitzte Fahrzeuge werden aus dem Verkehr gezogen.
Überhitzte Fahrzeuge werden aus dem Verkehr gezogen.
Überhitzte Fahrzeuge werden aus dem Verkehr gezogen.
Überhitzte Fahrzeuge werden aus dem Verkehr gezogen.

CNN-Algorithmus: Upgrade bestehender Portale möglich

„Durch die gute Fehlalarmquote gibt es weniger unnötige Einsätze, was Kosteneinsparungen und eine Motivationssteigerung beim Personal im Alarmfall zu Folge hat“, weist Italo Broggini vom ASTRA auf einen weiteren positiven Aspekt hin. Kein Wunder also, dass sich Betreiber bereits bestehender VHD-Systeme „brennend“ für ein Upgrade ihrer Anlagen interessieren. „Eine solche Aufrüstung mit dem CNN-Algorithmus ist grundsätzlich möglich, zumal es sich letztlich nur um ein Software-Update handelt“, erklärt Lukas Wallimann und ergänzt: “Neu bestellte VHD-Systeme werden ohnehin von Anfang damit ausgestattet. Der Kunde profitiert damit von der jahrelangen Erfahrung von SICK im thermischen Vermessen von Fahrzeugen, ohne dafür mehr investieren zu müssen als für den konventionellen Algorithmus“.

 

Auch VHD-Systeme „lernen nie aus“

Beim derzeitigen Release-Stand des CNN-Algorithmus wird es aber nicht bleiben, denn immer neue Bilddaten und Trainingszyklen werden die Systemperformance weiter verbessern. „VHD-Systeme lernen also nie aus“, resümiert Roman Schindler. Zudem werden für sie auch neue und verwandte Anwendungsfelder erschlossen. So arbeitet SICK an einer Weiterentwicklung des VHD-Systems für Fährterminals, um heiße Stellen an Kühlaggregaten auf Lastwagen erkennen zu können. Mehr Effizienz für VHD-Systeme durch den neuen CNN-Algorithmus: der Anfang ist gemacht – kein Ende ist in Sicht.

 

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