Die aufwendige manuelle Vermessung von Rohplatten gehört der Vergangenheit an. Jetzt vermisst das Inline-Plattenvermessungssystem SicoCam von Siempelkamp Logistics & Service GmbH Holzwerkstoffplatten im kontinuierlichen Durchlauf. Mit von der Partie sind vier programmierbare Hochleistungskameras InspectorP65x von SICK und SICK AppSpace. Sie liefern Messwerte zur Berechnung der Plattendimension und zur Regulierung der Säge. Damit steigt die Qualität der produzierten Platten, die Ausschussmenge nimmt ab, die Produktivität steigt. Zusätzlich erhöht sich die Sicherheit am Arbeitsplatz.
Im Spanplattenwerk Fritz Egger GmbH & Co. OG in St.-Pölten-Unterradlberg werden pro Jahr etwa drei Millionen Raummeter Holz zu knapp 40 Millionen Quadratmetern beschichteten Spanplatten verarbeitet. Aneinandergereiht ergäbe das den halben Erdumfang. Die Spanplatten werden an die Industrie und den Fachhandel geliefert. Alle namhaften österreichischen Möbelproduzenten zählen zu den Kunden. In der Rohplattenfertigung steht nach dem Pressen der Plattenstränge und dem anschließenden Zuschnitt per Multidiagonalsäge regelmäßig die Vermessung einzelner Platten an, um Maßabweichungen ggf. zu korrigieren. Das geschah bislang ausschließlich manuell durch Ausschleusen von sogenannten Gutplatten aus der Produktion oder durch das Ausmessen von Platten in der Anlage, z. B. im Kühlsternwender.
Sicherheitstechnische Lösung benötigt – höhere Automatisierung bekommen
Es bestand schon länger der Wunsch, sowohl seitens des Anlagenbauers und -ausrüsters Siempelkamp als auch seitens Egger, eine technische Lösung zu finden, um die gravierenden sicherheitstechnischen Nachteile der bisherigen Vorgehensweise zu beseitigen. „Die bisherige technische Lösung für das Vermessen der Platten hinter der Multidiagonalsäge entsprach nicht dem Stand der Technik“, erläutert Dr. Frank Otto, Projektleiter, Siempelkamp Logistics & Service GmbH, die Ausgangssituation. „Hinzu kommt, dass in unseren Hochleistungsanlagen die Multidiagonalsäge immer häufiger im Tandem-, Tripel- oder Quattromodus schneidet, also mit zwei oder mehr Sägeaggregaten. Der Prozess der manuellen Plattenvermessung in Verbindung mit der manuellen Korrektur der Schnittwerte bei Maßabweichung gestaltet sich für unsere Kunden als zu komplex und langwierig, mal ganz abgesehen von den sicherheitstechnischen Mängeln.“
Bisher wurden ausgeschleuste Platten von Hand mit einem Bandmaß überprüft und kamen in den Ausschuss. Bei abweichenden Messwerten musste der Bediener an der Säge die entsprechenden Korrekturwerte eingeben und bestätigen. In der Zwischenzeit waren bereits zahlreiche Platten mit den fehlerhaften Maßen in die Anlage gewandert. Sobald sich die Säge umgestellt hat, muss er wieder eine Platte in den Ausschuss fahren und wieder nachmessen, ob überhaupt das gewünschte Ergebnis eingetreten ist. Wenn dann die Platte noch nicht dem Wunsch entspricht, muss der Bediener erneut die Säge einstellen. Das ist ein Prozess, der eine viertel oder halbe Stunde dauert.
"Jetzt befindet sich das Plattenvermessungssystem innerhalb der Maschinenanlage und die Säge kann unmittelbar nach dem Auftreten von Maßabweichungen korrigiert werden“, beschreibt Martin Hinterhofer, Technik, Fritz Egger GmbH & Co. OG. „Zudem können wir mit der neuen Anlage schnell auf Prozessänderungen reagieren, um die Prozesse zu stabilisieren und die Qualität der gefertigten Produkte zu sichern.“
Messung der Plattengeometrie
Bei der Herstellung von Holzspanplatten ist die Form- und Pressenstraße die prozessbestimmende Systemeinheit innerhalb einer Komplettanlage. Als Herzstück der Anlage ist sie richtungsweisend für deren Kapazität und die Qualität der Produkte. Deshalb sollten die nachgelagerten Maschinen daran angepasste Leistung erbringen, damit keine Engpässe entstehen. So ist z. B. der Säge idealerweise ein System zur Messung der Plattengeometrie möglichst „inline“ nachgeschaltet. Das Inline-Plattenvermessungssystem SicoCam von Siempelkamp vermisst Plattenlänge und -breite, zudem werden die Diagonalen und die Winkel an den vier Ecken errechnet. So können die Besäumung und die Quersägung optimiert und der Verschnitt minimiert werden.
Siempelkamp setzt (noch) eins obendrauf
Die aus einem Endlosstrang abgelängten Einzelplatten werden während des Durchlaufs auf einer Transportbahn gemessen. Über der Bahn sind vier programmierbare 2D-Kameras Inspector65x an einem Portal, die im Durchlauf hinten angebrachten Kameras auf einem verfahrbaren Schlitten im Portal montiert. Mithilfe des Schlittens wird das Kamerasystem auf die unterschiedlichen Plattenlängen eingestellt. Die Einstellgenauigkeit liegt im 0,01-Millimeter-Bereich. Eine Klein-Lichtschranke W12-2 Laser detektiert frontseitig und löst die Aufnahme aus bzw. triggert die Kameras. „Wir haben ein Transportband oder einen Rollenförderer, da wird das SicoCam- Portal drübergestellt und die Platte so, wie sie kommt, gemessen“, beschreibt Dr. Frank Otto den Aufbau. „Es gibt keine mechanische Verbindung zur vorhandenen Anlage. Das ist komplett entkoppelt und wir brauchten keine Umbauten an der vorhandenen Maschinentechnik vorzunehmen, auch keine Funktionsänderung, kein Abbremsen der Platte.“ „Man kann das mitten im Betrieb machen und benötigt nur einen kurzen Stillstand, weil das System einfach drübergestellt wird“, bestätigt Mathias Köhl, Produktionsleiter Rohspan, Fritz Egger GmbH & Co. OG.
SICK AppSpace: Freiraum für die Entwicklung individueller Applikationen
In der Optoelektronik und speziell in der Bildverarbeitung stoßen konfigurierbare Produkte oft an ihre Grenzen, wenn es auf die Umsetzung bestimmter Funktionen oder Leistungsmerkmale ankommt. Systemintegratoren und Erstausrüstern (OEMs) bietet SICK mit dem Eco-System SICK AppSpace neue Freiräume für die Entwicklung individueller Applikationen und Bedienoberflächen auf der Basis programmierbarer Kameras und optischer Sensoren. Die Messung der Plattengeometrie erfordert Höhenkompensation bei einer Transportgeschwindigkeit der Platte von bis zu vier Metern pro Sekunde. „Die Platte hat Spannungen, wenn sie aus der Presse rauskommt, und ist manchmal ein bisschen nach unten oder nach oben gewölbt. Das muss berücksichtigt werden. Das können wir nur durch den Einsatz von Lasern an jeder Plattenecke und entsprechende Programmierung der App kompensieren“, beschreibt Markus Gropp, Niederlassungsleiter, Siempelkamp Logistics & Service GmbH, die Herausforderungen.
"Die ganze Anlage besteht nicht nur aus vier Kameras, die einfach eine Kante detektieren; das könnte jeder“, ergänzt Dr. Frank Otto, Siempelkamp. „Da steckt viel mehr Know-how dahinter.“ „Die Software ist das Herz des Systems. Trotzdem muss die Hardware auch bestimmte Voraussetzungen haben. Nicht jede Kamera hat diese Leistung, diese Empfindlichkeit und die kurze Belichtungszeit. Wir haben jetzt die Möglichkeit, Platten bis zu vier Meter pro Sekunde zu vermessen. Bei der Belichtung müssen wir in den Mikrosekundenbereich rein und da ist die Kamera sehr gut, auch die ganze Verschlusstechnik, sodass wir gestochen scharfe Bilder bekommen trotz der hohen Geschwindigkeit“, berichtet Dr. Frank Otto, Siempelkamp, begeistert.