Die zunehmende Individualisierung von Produkten macht die Losgröße 1 zu einer Produktionscharge, die in Zukunft immer häufiger gefragt sein wird. Dafür müssen die Fertigungsprozesse umgestaltet werden. Das bedeutet einerseits eine notwendige Flexibilisierung der Produktionsprozesse und andererseits die Erstellung neuer Sicherheitskonzepte für neue Fertigungssituationen.
Starre Fertigungslinien mit chronologisch festgelegten Produktionsabläufen gehören der Vergangenheit an. In Zukunft werden wir in den großen Produktionshallen vermehrt Fertigungszellen sehen, die einen flexiblen Durchlauf der Produktionsgüter ermöglichen. Die Fertigung unterschiedlicher Werkstücke, Stichwort „Losgröße 1“, macht diese Umstrukturierung zwingend notwendig. Die Werkstücke werden so direkt an den für sie passenden nächsten Arbeitsschritt weitergeleitet. In der vernetzten Industrie 4.0-Fabrik steuert der Produktionsprozess automatisch die nächste freie Fertigungszelle an und realisiert so den schnellstmöglichen Produktionsdurchlauf.
Dynamische Produktionsprozesse bedeuten aber nicht nur eine flexibel bestimmbare Ansteuerung der einzelnen Zellen, sondern auch Flexibilität in der Verarbeitung selbst. Die automatisierte Produktionsumgebung stößt hier an Grenzen: Während Roboter zwar präzise und unermüdlich fertigen, ist Flexibilität nicht ihre Stärke. Ohne eingelernte Muster und Parameter ist der Roboter nicht handlungsfähig. Für Flexibilität benötigt man ein kreatives Rechenzentrum – das menschliche Gehirn.
Die Mensch-Roboter-Kollaboration steht deshalb zunehmend im Fokus der Produktionsflächenplanung. In halbautomatischen Fertigungszellen können die Vorteile der beiden „Kollaborateure“ optimal genutzt werden. Während der Roboter z. B. ein schweres, starres Element montiert, ergänzt der Werker dieses um die sogenannten „Werkstücke mit Toleranz“. Die Montage von Schläuchen und Kabeln z. B. ist für einen Roboter eine schwierige, wenn nicht gar unlösbare Aufgabe, da sie keine klar erkennbaren und greifbaren Umrisse haben.
Damit MRK wirtschaftlich effizient ist, erfordert sie sehr vorrausschauende Vorbereitung: umfassende Risikobeurteilungen aller möglichen Arbeitsschritte und aller möglichen, auch mutwilligen, Bedienfehler, die Beachtung international abweichender Normen und Sicherheitsvorschriften, aber auch die Akzeptanz der Sicherheitsvorkehrungen bei allen Involvierten.
Risiko erkannt – Gefahr gebannt?
Eine zusätzliche Herausforderung im Hinblick auf Losgröße 1 sind die unterschiedlichen Werkstücke die pro Zelle gefertigt werden und die sich daraus ergebenden, als risikoreich beurteilten Handlungen. Unterscheide ergeben sich natürlich durch das Zellenlayout und Segmentierung des Kollaborationsraums. Eine sequentielle Bearbeitung schließt z. B. aus, dass Mensch und Roboter sich gleichzeitig im Arbeitsbereich aufhalten und benötigt somit weniger ausgeprägte Sicherheitsvorkehrungen. Die simultane Bearbeitung hingegen beschreibt die zeitgleiche Bearbeitung des gleichen Objekts und erfordert somit umfangreichere Sicherheitsvorkehrungen, da die Interaktionsmöglichkeiten sehr viel größer sind. Doch auch hier muss unterscheiden werden zwischen Zellen, in denen Roboter und Mensch zeitgleich, aber in getrennten Bereichen arbeiten, oder ob es tatsächlich zu einer Kollaboration kommt, d. h. Mensch und Roboter unmittelbar miteinander agieren.
Nicht zu unterschätzen ist bei der Planung der Faktor „Mensch“. Wir neigen zur vermeintlichen „situativen Effizienzsteigerung“ unserer Arbeitsprozesse: Wir wählen den kürzesten Weg, weil der Roboter gerade in einer anderen Ecke tätig ist. Wir greifen „schnell mal“ in die Kiste, weil wir dann nicht den kompletten Prozess abwarten müssen. Wir stellen die Tür der Sicherheitsabsperrung fest, weil wir ja sowieso noch dreimal hindurch müssen…. Die Mensch-Roboter-Kollaboration funktioniert jedoch nur, wenn die veränderten Arbeitsabläufe akzeptiert werden. Abgesehen von allen technischen Berechnungen ist also auch die Kommunikation mit der Belegschaft ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor. Es müssen Berührungsängste abgebaut und sicherheitsgetriebene Verhaltensweisen verinnerlicht werden. Der Planungsaufwand für MRK ist unbestreitbar hoch, aber essentiell für Erfolg und Wirtschaftlichkeit zukünftiger Produktionsszenarien.
Neue Anforderungen der vernetzen Fertigung
Im Industrie 4.0-Szenario kommen weitere Herausforderungen für MRK hinzu. Die integrierte Sensorik im Roboter wird kontinuierlich weiterentwickelt und aus diesen wachsenden Fähigkeiten der Roboter ergeben sich natürlich auch neue Sicherheitsszenarien. In einer vernetzten Fabrik können datengesteuerte Prozessveränderungen natürlich auch Auswirkungen auf weitere Produktionsschritte haben. Ein digitaler Zwilling eines jeden Fertigungsobjekts ermöglicht die bessere Nachvollziehbarkeit der einzelnen Produktionsprozesse und die flexible Reaktion auf Veränderungen an den einzelnen Fertigungszellen.
Die Datenvernetzung wirft natürlich auch Sicherheitsfragen auf, die über die Mensch-Roboter Kollaboration hinausgehen. Datensicherheit ist ein großes, wenn nicht gar das entscheidende, Thema von Industrie 4.0. Darüber machen wir uns Gedanken, auch nächste Woche wieder an dieser Stelle.