Interview: SICK und TRUMPF entwickeln quantenoptischen Sensor

16.02.2021

„Sehr viel Potenzial und ein Sprung für die Quantensensorik“

In den letzten Jahrzehnten gab es viele schrittweise Verbesserungen im Bereich der Sensor-Hardware. Von grundlegenden Veränderungen wie bei der Software, konnte jedoch nicht die Rede sein – bis jetzt: Neue Ergebnisse in der Quantenforschung schaffen völlig neue Ansätze für die Sensornutzung. Gemeinsam mit der TRUMPF Tochter Q.ANT entwickelt SICK nun den ersten für die Serienfertigung nutzbaren quantenoptischen Sensor. Kai Klinder, Head of Program and Engineering im Global Business Center Analyzers, und Michael Overdick, Technology Management bei SICK, haben mit uns über Quantensensoren gesprochen.

SICK und TRUMPF entwickeln quantenoptischen Sensor
SICK und TRUMPF entwickeln quantenoptischen Sensor

Was ist ein Quantensensor?

Michael Overdick: Ein Sensor setzt physikalische Signale in Messwerte um, die man weiterverarbeiten kann. Soweit, so bekannt. Quantensensoren nutzen dabei Effekte bei sehr kleinen Materie- und Lichtteilchen aus, die etwas ungewöhnlich sind. So kann ein Quantenteilchen mehrere verschiedene Zustände gleichzeitig einnehmen („Überlagerung“) oder sogar an mehreren Orten gleichzeitig sein –  wenn ich das mal so vereinfachend ausdrücken darf. Diese interessanten und übrigens genau berechenbaren Eigenschaften kann man nun ausnutzen, um sehr genaue Messungen zu erreichen, womit wir wieder bei der Sensorik sind.

 
Und was bedeutet das für den neuen Sensor, den SICK und Q.ANT gerade gemeinsam entwickeln?

Michael Overdick: Hier ermöglicht eine Lichtquelle auf Basis der Quantentechnologie, Feinstaubpartikel in einer Tausendstel Sekunde zu erfassen und ihre Größe und Bewegungsrichtung genau zu messen.

Warum beschäftigt sich SICK mit Quantentechnologie?

Michael Overdick: Das Innovationsmanagement von SICK beschäftigt sich mit neuen Technologien, die künftige Anforderungen von Kunden abdecken können. Dazu gehört die Quantentechnologie. Diese ist für den Einsatz in Sensoren relativ weit. SICK und Q.ANT arbeiten intensiv daran, dass sie in Form des Quantensensors QuantAlyzer schon bald aus den Laboren in die praktische Anwendung kommt. 

 
 
Kai Klinder (links), Head of Program and Engineering Global Business Center Analyzers,  und Michael Overdick (rechts), Technology Management
Kai Klinder (links), Head of Program and Engineering Global Business Center Analyzers, und Michael Overdick (rechts), Technology Management
Kai Klinder (links), Head of Program and Engineering Global Business Center Analyzers,  und Michael Overdick (rechts), Technology Management
Kai Klinder (links), Head of Program and Engineering Global Business Center Analyzers, und Michael Overdick (rechts), Technology Management

„Wir sprechen hier von einem Strategic Fit"

Wie werden die Anwendungen konkret aussehen?

Kai Klinder: Stellen wir uns eine Halbleiterproduktion vor. Bei zu hoher Partikelbelastung ist die Luft kontaminiert und im schlimmsten Fall muss die Produktion stoppen. Mit dem Quantensensor können diese Stopps verhindert werden, weil dieser den Verschmutzungsgrad der Feinstäube viel früher erkennt. Ein weiteres Beispiel ist die Zementherstellung. Die Korngröße ist für das Endprodukt ausschlaggebend. Stimmt die Körnung nicht, hält der Beton später nicht. Bisher nimmt man deshalb regelmäßig Proben und analysiert diese im Labor. Das kann einige Stunden dauern. Stimmt die Körnung nicht, muss das Produkt von der letzten Messung bis zur Neueinstellung im schlimmsten Fall entsorgt werden. Mittels Quantensensor kann in Echtzeit eine Analyse von überall auf der Welt durchgeführt werden. Die Verschwendung von Ressourcen kann damit also verhindert werden.  

Herr Overdick erwähnte bereits die Entwicklungspartnerschaft zwischen SICK und Q.ANT, um den ersten, für die Serienfertigung nutzbaren quantenoptischen Sensor – den QuantAlyzer – voranzutreiben. Welche Synergien entstehen bei der Kooperation?

Kai Klinder: Q.ANT ist ein Start-up des Unternehmens TRUMPF. Q.ANT entwickelt die quantenoptische Baugruppe des Sensors als eigenständige Funktionseinheit. SICK integriert diese Baugruppe in das Sensorsystem, das auch die Prozessanbindung und die Kommunikationsschnittstellen zur Kundenapplikation beinhaltet. Zusätzlich besitzt SICK den Zugang zum Markt und den Kunden. Wir sprechen hier von einem Strategic Fit.  

 
SICK integriert diese Baugruppe in das Sensorsystem
SICK integriert diese Baugruppe in das Sensorsystem

Markteinführung und Herausforderungen

Welchen Herausforderungen müssen Sie sich aktuell in der Forschung und Entwicklung stellen? 

Michael Overdick: Die Herausforderung besteht darin, den Quantensensor noch kleiner, praktischer und natürlich preiswerter zu machen – eine Voraussetzung, um in die Serienfertigung einzusteigen. 

Kai Klinder: In der ersten Phase der Entwicklung sind die Systeme oft noch anfällig. Denken wir nur an die ersten Sicherheits-Lichtvorhänge. Die Geräte benötigten noch große Spiegel, waren sehr empfindlich und wurden in ein extrem massives Gehäuse eingebaut. Heute haben wir einen schmalen LED-Streifen, der sich einfach anwenden lässt. Für unseren Quantensensor, den QuantAlyzer, ist unser erklärtes Ziel, einen robusten Präzisions-Sensor für den Einsatz in Industrieumgebungen zu fertigen. Die Grundlagen sind weitestgehend vorhanden.   

Wann soll der QantAlyzer auf den Markt kommen?

Kai Klinder: Wir rechnen mit ersten Piloteinsätzen im Laufe des Jahres 2021. Wir arbeiten daran, dass wir 2022 in Serie gehen können. 

 
Quantensensor QuantAlyzer
Quantensensor QuantAlyzer

Welche Märkte wollen Sie erreichen?

Kai Klinder: Neben der Halbleiterindustrie oder der Zementindustrie sind auch öffentliche Gebäude interessante Einsatzgebiete: Zum Beispiel könnten sie in der U-Bahn eingesetzt werden, zur Überprüfung der Einhaltung von Feinstaubgrenzwerten oder zur Optimierung der Belüftungssteuerung.

Michael Overdick: Wir werden mit der Technologie also in Märkte einsteigen, in denen wir uns heute schon sicher bewegen. Da es sich bei der Quantentechnologie um eine Schlüsseltechnologie handelt, ist aber noch deutlich mehr Potenzial vorhanden, das wir uns erschließen werden. 

Von welchem Potenzial sprechen wir hier?

Michael Overdick: In Deutschland haben wir in jüngster Vergangenheit erkannt, dass wir bei einigen Schlüsseltechnologien bereits spät waren, etwa bei der künstlichen Intelligenz (KI), Elektromobilität oder auch den Quantencomputern. Den Fehler sollten wir hier nicht machen. Erste Schätzungen sprechen bezüglich des weltweiten Marktes für Quantensensoren von über 1,3 Milliarden USD (1,1 Mrd EUR) in 2023 und gehen von einem Wachstum auf 2,2 Milliarden USD bis 2028 aus.1 Der UK Quantum Technology Hub Sensors and Metrology schätzt gar, dass es einen Markt von jährlich 4 Milliarden GBP (etwa 4,5 Milliarden EUR) für Quantensensoren geben wird.2

 
 
 

1 Inside Quantum Technology 2018 Inside Quantum Technology: „Quantum Sensor Revenues to Reach Over $1 Billion by 2023: New Inside Quantum Technology Report Reveals Market Sizing and Strategies for Quantum Sensor Age” (Pressemitteilung vom 18.09.2018). URL: https://www.globenewswire.com/news­release/2018/09/18/1572606/0/en/Quantum­Sensor­Revenues­to­Reach­Over­1­Billion­by­2023New­Inside­Quantum­Technology­Report­Reveals­Market­Sizingand­Strategies­for­Quantum­Sensor­Age.html [Stand: 29.11.2019].

2 UK National Quantum Technology Hub Sensors and Metrology 2018 UK National Quantum Technology Hub Sensors and Metrology: Outline of quantum sensors technology roadmap. 2018, 2018